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  • Kahraman Tsikha

Flüchtlingssituation spitzt sich zu


Im März dieses Jahres ist die Wohncontainer-Anlage für Flüchtlinge am Dorfgemeinschaftshaus Oberbauerschaft aufgebaut worden. Sie musste bislang nur als Ausweichunterbringung für die Zeit der Renovierung eines der beiden Übergangswohnheime am Ahornweg in Anspruch genommen

werden. Foto: Martin Nobbe



HÜLLHORST (WB). „Wir brauchen eine Atempause“, sagt Hüllhorsts Integrationsbeauftragter Kahraman Tsikha. 562 Flüchtlinge leben derzeit in der Gemeinde Hüllhorst (Stand: 28. September). Er beklagt, dass aufgrund der hohen Anzahl an Zugewanderten die eigentliche Integration nicht angegangen werden könne.

Die Gemeinde befinde sich in einer Dauerversorgungsphase.

Es könne also nur für das Nötigste gesorgt werden - von der Ernährung über die medizinische Versorgung bis hin zu einem Dach über dem Kopf.

Tsikha: „Wir haben bislang allein in diesem Jahr 91 Personen aufgenommen,

das sind also mehr als zehn Personen pro Monat.“

Integrationsmaßnahmen wie Deutschkurse und die Vermittlung in

den Arbeitsmarkt seien schwierig, „weil wir immer im Aufnahme-Notzustand sind“, sagt der Integrationsbeauftragte. Der Gemeinde seien auch weitere Ankünfte von Asylsuchenden angekündigt worden. „Es tut mir leid für diese Menschen“, sagt Tsikha.

Die Lage eskaliere langsam- trotz aller Bemühungen. Die Kapazitäten reichten nicht aus. „Das wird Probleme für die nächsten zehn Jahre verursachen“, prognostiziert der Verwaltungsmitarbeiter, der seit 2016 hauptamtlich die Flüchtlinge in Hüllhorst betreut.

Obgleich er auch dankbar und beeindruckt ist von der Hilfe aus der Bevölkerung.

36 private Wohnungen hätten in der jüngeren Vergangenheit an Menschen mit

Daueraufenthaltstitel vermittelt werden können. Die Verwaltung habe außerdem 42

Wohnungen - im gesamten Gemeindegebiet verteilt - angemietet.

Dort lebten Familien und Alleinreisende mit Kindern, während in den Unterkünften - zur vorübergehenden Unterbringung - alleinstehende Männer wohnten. In Einrichtungen wie den beiden Übergangswohnheimen in Oberbauerschaft halten sich Letztere jedoch auch längerfristig auf. Das Gebäude am Ahornweg 23 ist dafür aktuell sogar renoviert worden,

unter anderem mit Fördermitteln finanziert. Hier haben 21 Schutzsuchende eine Bleibe. Genau jene Zahl von Menschen, die in der Wohncontainer-Anlage auf dem Gelände des Dorfgemeinschaftshauses Oberbauerschaft an der B 239 Platz findet.

Sie wurde im März als Notunterkunft für den Fall der Fälle aufgebaut.

In Anspruch genommen wurde sie jetzt nur als Ausweichunterbringung während der Renovierungsphase, wie der Integrationsbeauftragte berichtet. Ab nächster Woche (Kalenderwoche 40) würden die Bewohner wieder an den Ahornweg zurückkehren.

„Das sind alles gesunde, junge Männer, von denen viele bei der Renovierung

mitgeholfen haben“, erzählt Tsikha. Die Gemeinde plane, auch das andere Übergangswohnheim am Ahornweg auf Vordermann zu bringen.

Dort seien 30 Personen untergebracht.


Insgesamt 264 Ukrainer aufgenommen

Tsikha hält nichts davon, die Asylsuchenden „in einen großen Saal zu stecken“. Daher komme für ihn auch eine Nutzung der Turnhalle in Holsen nicht infrage. Ebenso im Dorfgemeinschaftshaus (DGH) in Oberbauerschaft, wo 16 Betten aufgestellt

wurden, habe in den vergangenen vier Monaten niemand gelebt, auch nicht vorübergehend.

Dieses betrachtet Tsikha ebenfalls als reine Notaufnahmemöglichkeit.

„Dort ist keiner länger als vier Tage, weil keine Privatsphäre gegeben ist.“

Der Integrationsbeauftragte räumt allerdings ein, dass die Gemeinde im

Rennen mit der Zeit sei. Vor allem zu Beginn des Ukraine-Krieges sei das DGH genutzt worden. Insgesamt 264 Ukrainer habe Hüllhorst seit Kriegsausbruch aufgenommen,

davon seien 31 Personen in ihre Heimat zurückgereist und 37 Personen in andere

Länder wie USA oder England ausgewandert.


Zahl der Helfer sogar gestiegen

In einer Belegung von beispielsweise Turnhallen sieht Tsikha noch ein weiteres Problem. Seiner Ansicht nach würde dies die Akzeptanz in der Bevölkerung gefährden.

„Und die ist das A und O. Neben der interkulturellen Öffnung.“ Das normale Leben

der Bürger dürfe durch die Migration nicht beeinträchtigt werden.

Eine etwaige schlechter werdende Stimmung stellt Tsikha in der Gemeinde Hüllhorst

nicht fest. Im Gegenteil: Die Zahl der Helfer und ehrenamtlich Tätigen wachse.

Das lasse sich auch an den Aktivitäten des Vereins „MITTeinander“ ablesen; dort habe

sich die Zahl der Arbeitskreise von acht nochmal auf elf erhöht, und es gebe immer

neue Angebote für Zugewanderte.

»Die allermeisten

Menschen suchen

nur Sicherheit.«

Integrationsbeauftragter Kahraman Tsikha

Ohne die Ehrenamtlichen seien die Aufgaben in der Flüchtlingsbetreuung überhaupt nicht zu stemmen. „Ich bin einfach begeistert und weiß gar nicht, wie ich ihnen allen danken soll“, sagt Tsikha. Er bricht eine Lanze für die Geflüchteten, aus seiner jahrelangen Erfahrung schöpfend: „Die allermeisten Menschen suchen nur Sicherheit. Und die absolute Mehrheit will hier auch arbeiten.“ In Ländern wie der Ukraine, Syrien, Irak, Somalia und diversen anderen Staaten herrschten Krieg oder anhaltende militärische Konflikte. Dass so viele Menschen speziell in Deutschland ein neues Zuhause suchen, erklärt sich der Integrationsbeauftragte mit der humanitären Einstellung.

„Hier wird man menschlich behandelt, das muss man beibehalten.

Und sie glauben an das Rechtssystem hier.“

Um eine Gleichbehandlung der Flüchtlinge in allen Ländern der EU zu erreichen,

braucht es seiner Ansicht nach eine europaweite Exekutive. Die Gleichbehandlung

könne auch zu einer besseren Verteilung der Asylsuchenden führen.

Damit die Kommunen entlastet würden, müsse man auf jene Zugewanderte schauen, die

langfristige Bleibeperspektiven hätten. Von einer generellen Höchstgrenze beim Zuzug

von Geflüchteten hält Tsikha nichts. Das Asylrecht könne man nicht begrenzen.


Sie setzen sich für die Integration von Geflüchteten ein: Die Vorstandsmitglieder

des Vereins „MITTeinander in Hüllhorst“ mit (von links) dem

Vorsitzenden Dirk Lefarth, dessen Stellvertreter Michael Kasche, Schriftführerin

Kristina Schnelle, dem Integrationsbeauftragten Kahraman Tsikha

sowie Kassenwart Danny Dietrich.


Foto: Sonja Töbing

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